Der Obus - ein besonderes
Nahverkehrsmittel
Der nachfolgende Text ist
teilweise aus dem Buch "Der Obus in Wuppertal" von Bernhard
Terjung entnommen. Er verfaßte eine vorzügliche technische Beschreibung
des Oberleitungsbusses. Das Buch ist 1986 im Verlag Monika Reimann
erschienen (ISBN 3-925298-01-0).
In verschiedener Hinsicht kann ein Obus als Zwitter zwischen Straßenbahn und Omnibus angesehen werden. Vom Omnibus stammt der grundlegende Aufbau, der ihn als Kraftfahrzeug kennzeichnet, während von der Straßenbahn der elektrische Antrieb mit den dafür erforderlichen Einrichtungen kommt. Wie die Straßenbahn ist er streckengebunden, jedoch nicht spurgebunden, sondern kann sich innerhalb seines durch die Fahrleitung vorgegebenen Fahrwegs so flexibel bewegen wie ein Omnibus und Hindernisse
umfahren. Die Stromabnehmerstangen erlauben ein Ausweichen von ca. 4,5 Metern nach jeder Seite. Wie die Straßenbahn erfordert der Obus Investitionen für die Streckenanlage, die sich jedoch auf die Oberleitung beschränken und somit
niedriger sind als diejenigen für die Straßenbahn.
Zu den Besonderheiten des Obusses gehört sicherlich der elektrische Antrieb, der wie bei einem dieselgetriebenen
Omnibus über ein Differentialgetriebe auf die Hinterachse erfolgt. Da ein Gleichstrom-Reihenschluß-Motor,
oder heutzutage ein Drehstrom-Asynchronmotor, wie er für Bahn- und Obusantriebe verwendet wird, unter Last anlaufen kann und dabei zugleich sein höchstes Drehmoment entwickelt, ist keine trennende Kupplung erforderlich. Auch ein Wechselgetriebe mit mehreren Gängen wird nicht benötigt, da
die Elektromotoren alle erforderlichen Drehzahlen mit einer festen Zahnradübersetzung bewältigen
können und - im Gegensatz zum Verbrennungsmotor - nicht unterhalb einer bestimmten Drehzahl abgewürgt
werden. Der Umstand, dass die vorteilhaften kurzzeitigen Überlastungen des Motors zu
sehr hohen Drehmomenten führen, erfordert für Obusse einen weitaus robusteren Achsantrieb als für Dieselbusse mit gleich großer
Leistung.
Ein weiteres spezifisches Obus-Bauteil ist die sogenannte lsolierkupplung, ein elastisches Gummi- oder Kunststoffelement, das zwischen Motor und Antriebswelle angeordnet ist und dazu dient, gemäß den gesetzlichen Vorschriften die Antriebsachse
doppelt vom Stromkreis zu isolieren.
Die Stromzufuhr wurde in älteren Obussen wie in der Straßenbahn über Schaltwerke geregelt,
die bei Obussen natürlich über eine Pedalsteuerung betätigt werden mußten. Da ein Obus in aller Regel nur einen Fahrmotor hat,
konnte die von der Straßenbahn bekannte abwechselnde Reihen- und Parallelschaltung von zwei oder vier Motoren nur dann angewendet werden, wenn ein
sogenannter Doppelkommutator-Motor benutzt wurde.
Als Schaltwerk kamen zunächst wie bei der Straßenbahn Walzenfahrschalter zur Anwendung und seit den fünfziger
Jahren auch Schützensteuerungen. Die relativ großen Walzen- und Schützenschaltwerke wurden
oftmals in
die Frontseite der Obusse eingebaut und durch große Klappen zugänglich gemacht, die das Aussehen
vieler Obusse prägten. Da die Betätigung dieser Schaltwerke relativ großhubige Pedalbewegungen erforderte, die zudem
noch manchmal erheblich von "Gasfuß"-Gewohnheiten abwichen, wurde das Fahrpedal
gewöhnlich links anstelle des fehlenden Kupplungspedals angeordnet.
Moderne Obusse besitzen
leistungselektronische Stellglieder (Gleichstromsteller oder
Wechselrichter), die energiesparend für die Zuteilung der elektrischen
Energie an den Fahrmotor sorgen und somit höchsten Fahrkomfort
gewährleisten.
Anders als die Straßenbahn steht der Obus isoliert auf Gummireifen, was den unkomplizierten Stromkreislauf über die Masse des Wagenkastens und eine geerdete Gleisanlage unmöglich macht. Obusfahrleitungen sind deshalb zweipolig ausgeführt. Die Stromzuführung und -rückführung erfolgt dabei durch zwei ca. 6 m lange, drehbar auf dem Wagendach gelagerte Stangen mit gleichfalls drehbaren
Stromabnehmerköpfen. Der Kontakt zur Oberleitung wird über
Schleifkohleeinsätze hergestellt, die abhängig von der Witterung in
bestimmten Intervallen gewechselt werden müssen. Die Stangen werden durch Federkraft an die Fahrdrähte gedrückt.
Entweder manuell oder automatisch werden sie an den Fahrdraht angelegt
oder abgezogen und in Haltevorrichtungen am Wagendach eingehängt. Sowohl Plus- als auch
Minuspol sind im Obus durchgängig vom Wagenkasten doppelt isoliert.
Die beschriebenen Eigentümlichkeiten zeigen, dass der Obus mehr ist als nur eine Kombination diverser Merkmale
von Omnibus und Straßenbahn. Hinzu kommt letztlich noch ein besonderer Vorzug: durch den elektrischen Antrieb
und die gleichzeitige Luftbereifung ist der Obus, der kaum nennenswerte Motoren- und Rollgeräusche erzeugt, ein
besonders leises Nahverkehrsmittel.
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