Ein
Besuch in Gdynia (Polen)
Fotos aufgenommen vom 06.09.02
bis 08.09.02 von Ronald Kiebler
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Abend-Szene vor dem
Hauptbahnhof (rechts zwei Jelcz
E-Wagen)
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Die polnische Hafenstadt nördlich von Gdansk und Sopot bewältigt das Hauptaufkommen des innerstädtischen ÖPNV mit
derzeit 78 Trolleybussen auf einem ausgedehnten Netz mit ca. 36 km Streckenlänge und einer von Süden nach Nordwesten verlaufenden Hauptachse.
Fahrzeuge:
Es werden die Obustypen Jelcz (PR-110E/T, M120), PNTKM/Jelcz (M120/M121) und Solaris (Trollino 12T) eingesetzt. Mittlerweile sind vier Trollinos vorhanden (3001, 3002, 3037, 3038), die sich alle regelmäßig im Einsatz auf der Linie 22 befinden. Die Trollinos haben elektrische Ausrüstungen der Fa. Trobus und ZF-Achsen. Sie sind behindertengerechte Niederflurobusse mit Kneelingeinrichtung, die mit 28 (+2) Sitzplätzen und sogar einem Sicherheitsgurt für Rollstühle ausgestattet sind. Die LED-Matrixzielanzeigen (Fa. Pixel) sind hochwertig im Erscheinungsbild. Im Innenraum werden die Fahrgäste u. a. durch eine LED-Anzeige über die wichtigsten Haltestellen des Linienverlaufes informiert.
Laufeigenschaften, Geräuschentwicklung (innen und außen) und das Beschleunigungsvermögen halte ich für vorbildlich. Probleme gibt es noch mit der Kneeling-Steuerung, und bei Wagen 3037 wird der Kompressor regelmäßig zu warm, weshalb er an den Endhaltestellen zumeist mit offener Heckklappe anzutreffen war.
Die äußere Geräuschentwicklung der älteren Fahrzeuge ist ebenfalls positiv zu bewerten; innen stört der ständig laufende Motor der Hilfsbetriebe ein wenig, und bei dem einen oder anderen Wagen auch die Lautstärke des Differentials.
Alle Obusse sind Solowagen. Die einzige Ausnahme bildet mittlerweile der Ikarus-Gelenktrolleybus 3689 (Dieselbus-Umbau), der allerdings an allen Besuchstagen nur auf dem Depotgelände gesichtet wurde.
Die blau-weiß lackierten Fahrzeuge machen ausnahmslos einen sehr gepflegten Eindruck.
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Solaris Trollino 12T 3038
als Dispositionswagen vor dem Hauptbahnhof
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Solaris Trollino 12T 3002
beim Einbiegen in die Slaska
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Linien:
Folgende Linien werden mit Trolleybussen betrieben:
20: Cisowa SKM - Plac Kaszubski (Stadtmitte)
21: Dworzec Glowny PKP - Sopot
22: Cisowa SKM - Dworzec Glowny PKP
23: Wielki Kack - Dworzec Glowny PKP - Stocznia
25: Cisowa SKM - Plac Kaszubski (Stadtmitte)
26: Cisowa Sibeliusa - Orlowo
27: Cisowa SKM - Karwiny "Euromarket"
28: Pustki Cisowskie - Plac Kaszubski (Stadtmitte)
30: Cisowa Sibeliusa - Dworzec Glowny PKP
Die Linie 21 führt im Süden über die Stadtgrenze hinaus nach Sopot. Aufgrund der abgewirtschafteten Fahrleitungsanlage und des Parallelverkehrs mit der Bahn (SKM, Wejherowo - Gdansk) und mit diversen Autobuslinien, ist jedoch mit der mittelfristigen Einstellung dieser Linie zu rechnen. Schon jetzt findet an Sonntagen kein Betrieb statt, und es ist offensichtlich, dass an diesem Streckenast keine Investitionen mehr vorgenommen werden (siehe unten). Weiterhin verkehren Einrücker mit der Liniennummer 730 (Redlowo SKM Stryjska), die die Fahrgäste direkt bis vor die Depoteinfahrt mitnehmen. Am Hauptbahnhof stehen jederzeit 1-2 Einsatzwagen mit den Beschilderungen 740 (PKT Gdynia) bzw. 630 (Disposition) angedrahtet bereit.
Die Wendeschleifen an den Linienendpunkten sind zum Teil großzügig mit Überholspuren ausgestattet. Da an manchen Endpunkten mehrere Linien enden, sind meist auch mehrere Trolleybusse gleichzeitig anzutreffen. Das Netz verfügt über zahlreiche zusätzliche Wendeschleifen entlang der Linienverläufe. Am
Wezel-Franciszki-Cegielskiej-Platz nahe der Bahnstation Wzgórze sw. Maksymiliana ist eine geräumige Wendeanlage mit doppelspuriger Fahrleitung
fertig gestellt, die bislang aber nur von Dieselbussen genutzt wird.
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Jelcz-Trolleybus 3314 - im
Hintergrund ist der Hauptbahnhof zu sehen
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Jelcz-Trolleybus 3332 an der
Endstation Cisowa Sibeliusa
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Fahrleitungsanlage:
Als Masten werden aufgrund der breiten Straßen hauptsächlich Auslegermasten verwendet. Oft sieht man Gittermasten, die aus Beständen der Eisenbahn entnommen wurden. Entlang der Linie 21 im Abschnitt von Orlowo nach Sopot sind fast ausschließlich diese Gittermasten in geringen Abständen verwendet. Deren Zustand ist teilweise besorgniserregend. Die Fahrleitung in diesem Abschnitt kann bestenfalls als Flickwerk bezeichnet werden, im Prinzip gleicht in der Ausführung kein Aufhängungspunkt dem anderen. Dementsprechend gering sind auch die gefahrenen Geschwindigkeiten, sofern nicht auf gerader Strecke gefahren wird.
Ganz anders dagegen präsentieren sich die Streckenabschnitte im Zentrum und in den nördlichen Stadtteilen Chylonia und Cisowa. Die Fahrleitung ist fast durchweg elastisch an Pendeln aufgehängt, in den Kurven zum überwiegenden Teil mit Kurvenschienen und Aufhängungen entsprechend dem System Fahrleitungsbau Essen. Im Verlauf des Zentrum-Boulevards Swietojanska und dessen Abzweigungen ist die Fahrleitungsaufhängung und teilweise auch der Fahrdraht nagelneu. Die Geschwindigkeiten und Beschleunigungen die in solchen Abschnitten gefahren werden sind auch wirklich beachtlich. Unterstützt wird dies - allerdings nur dort, wo es für notwendig erachtet wird - durch Schnellfahrweichen, die tatsächlich ohne Geschwindigkeitsreduzierung befahren werden. Hinzu kommt, dass die verwendeten Stromabnehmerstangen Kräfte von Querbeschleunigungen sehr gut absorbieren, so dass auf Abschnitten mit entsprechend moderner Fahrleitung ein hohes Maß an Betriebssicherheit gewährleistet ist. Die übrigen Weichen sind dagegen an Einfachheit nicht zu überbieten. Die Fahrer sind aber sehr sensibilisiert und überfahren solche Abschnitte tatsächlich mit Schrittgeschwindigkeit. So beobachtete ich auch keine einzige Stangenentgleisung. Überhaupt machten die Fahrer die ich
kennen lernte, einen sehr motivierten Eindruck. Dies liegt nicht zuletzt auch daran, dass sie einem bestimmten Fahrzeug zugeteilt sind.
Erwähnenswert ist noch die Tatsache, dass die Fahrleitung teilweise gewichtsnachgespannt ist, und dass das Netz mittels Trennern in eine Vielzahl von Speisebereichen unterteilt ist. An manchen Trennern sind einseitig angeschraubte Kabel vorhanden, deren loses Ende bei Bedarf zur Überbrückung der Trenner angeschlossen werden kann.
Zur Betriebsausstattung gehören nicht weniger als vier Turmwagen (39447, 39611, 39758, 39759) und weitere Schlepp- und Einsatzfahrzeuge.
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Der letzte Gelenktrolleybus
3689 im Depot (umgebauter Ikarus 280 Dieselbus)
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restaurierter Saurer-Obus
(ex St. Gallen 128, ex Warschau T014) auf dem Trobus-Gelände
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Sonstiges:
Während meines Aufenthaltes sah ich erfreulicherweise nur Trolleybusse auf Trolleybuslinien. Die Betriebsreserve im riesigen Depot entlang der Al. Zwyciestwa, wo
Trobus die Trolleybusse auch repariert, lässt vermuten, dass dies der Regelzustand ist. Dort sind auch einige ältere, derzeit nicht in Betrieb stehende Jelcz-Obusse, sowie ein restaurierter ex
Warschau (T014), ex St. Gallen (128) Saurer II LM-Obus von 1957 ("Gdynski Trolejbus
Retro" im Besitz der Fa. Trobus) abgestellt.
Ein weiterer Obus dieses Typs sowie ein Anhänger befinden sich gerade in
der Aufarbeitung und stehen anschließend zum Verkauf.
Die Autobusflotte besteht hauptsächlich aus jüngeren Solo- und Gelenkbus-Typen der Hersteller MAN, Mercedes-Benz bzw. Evobus, Volvo, Neoplan und Solaris, letztere auch in der 15m-Version. Die meisten Busse sind in Niederflurbauweise ausgeführt. Der Autobusbetrieb in Gdynia dürfte der modernste in Polen sein, denn nicht einmal in Danzig, geschweige denn in den kleineren polnischen Städten, habe ich eine solche Ansammlung moderner Fahrzeuge gesehen, einhergehend mit dem Fehlen der sonst bekannten Vertreter von Jelcz, Autosan und Ikarus.
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moderner Jelcz-Trolleybus
3378 auf der Linie 27
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Jelcz-Trolleybus 3309
startet am Plac Kaszubski auf der Linie
28
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Trolleybus 3329 mit
Eigenwerbung kurz vor der Schleife in Orlowo
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zwei Solaris Trollino 12T
(3037+3001) an der Endstation der Linie 22 (Cisowa SKM)
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Retrospektive:
Vor zwei Jahren gehörten
Trolleybusse mit Ganzreklame noch zum gewohnten Erscheinungsbild. Mittlerweile
präsentieren alle Busse ein einheitliches Erscheinungsbild mit fehlender oder
dezent gehaltener Werbeaufschrift.
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Trolleybus 3321 im April 2000
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Foto: Patrycja Jarmusz
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Ein Bild, aufgenommen im Winter
1991/92 bei der Wendeschleife Orlowo:
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